Ursprünglich war es nur ein internes Anhängsel, aber die Ziffern sollten zur Legende werden: Zwei, später Nullzwei. 1966 standen sie zum ersten Mal hinter der Typbezeichnung des neuen 1600 und sollten ihn schlicht als den neuen Zweitürer von BMW kennzeichnen - im Unterschied zum marktgängigen BMW 1600 mit vier Türen. Notwendig war das freilich nur auf dem Papier, denn die beiden Modelle unterschieden sich mehr als deutlich, sogar im Familiengesicht. Der neue Typ war kleiner und noch agiler als die Limousinen der so genannten 'Neuen Klasse'. Zu seinem sportlichen Auftritt verhalfen dem 1600-2 die um 27 Zentimeter auf 4,23 Meter gekappte Gesamtlänge bei einem gleichzeitig nur fünf Zentimeter kürzeren Radstand von 2.500 Millimetern. Zu diesen kurzen Überhängen passte die unverändert 1.330 Millimeter breite Spur der Vorderachse. Das Dach war vier Zentimeter niedriger, was zusammen mit der flacheren Frontscheibe, den Rundscheinwerfern und den kreisförmigen Rückleuchten den Eindruck von Dynamik und Sportlichkeit betonte.
Der 1600-2.
Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte das neue Modell zu einem ganz besonderen Anlass: Am 7. März 1966 feierte die BMW AG ihren 50. Geburtstag. Und an diesem Tag stellte der Vorstandsvorsitzende Gerhard Wilcke den Festgästen in der Bayerischen Staatsoper den BMW 1600-2 vor. Drei Tage später präsentierte sich der Zweitürer auf dem Genfer Salon der Kundschaft. Es war der Auftakt zu einer der gelungensten Geburtstagsüberraschungen, die BMW seinen Kunden je gemacht hat. Drei Jahre lang hatte man an dem geheimen Projekt mit der Entwicklungsnummer 'E114' (für angedachte 1.400 ccm) gearbeitet. Anfangs hatte es noch Überlegungen im Vorstand und im Aufsichtsrat gegeben, parallel den BMW LS auf Basis des BMW 700 weiterzuentwickeln. Allerdings hieß es in einem Aufsichtsratsprotokoll vom 21. November 1963, dass „terminliche, markttechnische wie auch preisliche Überlegungen eher für die Ablehnung dieses Gedanken sprechen.“ Stattdessen plädierten die Herren für eine zweitürige Limousine mit rund 775 Kilogramm Trockengewicht, die auf der IAA 1965 debütieren sollte.
Als Motorisierung empfahlen sie einen liegenden Vierzylinder mit Wasserkühlung und einem Hubraum zwischen 1,2 und 1,5 Liter. Das Ganze sollte für rund 6.500 Mark zu haben sein. Vorstandsbeschluss: Es bleibt bei zwei Türen. Nicht alles blieb so. Im Grunde gar nichts. Nur die zwei Türen. Und auch das war nicht von vornherein sicher. Gerade mal ein halbes Jahr nach dem zitierten Aufsichtsratsmeeting vermerkte das Vorstandsprotokoll am 9. April 1964: „Es wird nochmals die Frage erörtert, ob der BMW-Typ 114 in viertüriger Ausführung gebaut werden soll. Nach eingehender Diskussion hält der Vorstand an seinen Beschlüssen fest, den BMW-Typ 114 nur in zweitüriger Ausführung zu bauen. Maßgebend sind dafür folgende Überlegungen: Wenn der E114 von vornherein nur viertürig geplant wird, erhöht sich der Verkaufspreis um DEM 325.-. Bei ausschließlicher viertüriger Ausführung des entsteht ein zusätzlicher Investitionsbedarf von zwei Millionen Mark. Wird der Wagen sowohl in viertüriger als auch in zweitüriger Ausführung geplant, entstehen Zusatzinvestitionen von 5,9 Millionen. Wenn an die Stelle der zweitürigen Ausführung eine viertürige Ausführung treten soll, ist der Termin, den Wagen bis zum September 1965 serienreif zu machen, nicht einzuhalten.“
Aus 1.300 wurden 1.600 Kubik. Selbst die ursprünglich anvisierte Hubraumklasse war schnell unattraktiv geworden. Der Wunsch nach mehr Leistung wuchs, Autos mit 1,5 Liter-Motoren hatten innerhalb von drei Jahren in den Zulassungen um rund 80 Prozent zugelegt. Der Vorstand machte daher aus der Not eine Tugend und spendierte dem neuen Modell gleich den 1,6 Liter des Viertürers. Damit unterschied sich das Innenleben des Neuen technisch nur wenig vom bisherigen 1.600 mit vier Türen, dessen Produktion zum gleichen Zeitpunkt endete: Den Antrieb übernahm der Vierzylinder-Motor mit 1,573 Kubikzentimetern Hubraum und jetzt 85 PS, wie bei allen damaligen BMW um 30 Grad geneigt im Bug eingebaut. Das Gemisch braute ein Fallstromvergaser zusammen, die Gaswechsel des hochmodernen Triebwerks steuerte eine obenliegende Nockenwelle über hängende Ventile. Das Fahrwerk mit vorderen Federbeinen auf Dreieckslenkern und Schräglenker-Hinterachse stammte aus der 'Neuen Klasse': Mit der aufwendigen Einzelradaufhängung vorn und hinten war der BMW-Typ 1600-2 auch weitaus teureren Automobilen der 1960er-Jahre deutlich überlegen. Auch die Bremsanlage war sehr fortschrittlich und leistungsfähig: An der Hinterachse genügten Trommelbremsen; vorne jedoch verzögerten Scheibenbremsen, die damals noch recht ungewöhnlich und daher teuren Automobilen oder Sportwagen vorbehalten waren.Sportlichkeit in Zahlen: 85 PS für 940 Kilo.Der 1600-2 war zwar nicht billig, denn sein Einstandspreis von 8.650 Mark „einschließlich Heizung“ (wie die 'Motor Revue' im Sommer 1966 nüchtern notierte) entsprach in etwa dem durchschnittlichen Jahresverdienst eines Arbeitnehmers. Doch der bekam dafür ein hochmodernes Auto, das mit 940 Kilo bei 85 PS ein hervorragendes Leistungsgewicht hatte, in rund 13 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigte und mit 166 Sachen eines der schnellsten war. Das Konzept hatte weit mehr Zukunft, als ihm anfangs mancher Kritiker zugetraut und mancher Verfechter zu träumen gewagt hatte. So fragten einige zweifelnde Händler in München an „wer soll das Ding denn kaufen,“ wurden von ihren Kunden aber rasch eines Besseren belehrt: Bereits im ersten Jahr produzierte BMW 13.244 Einheiten, 1967 erreichte der Zweitürer mit einer Auflage von 38.572 Stück fast schon die Viertürer-Produktion von 39.930 Exemplaren. „Das Auto, auf das viele sportlich interessierte Fahrer schon lange warten.“ Kein Wunder, denn von Anfang an handelte sich der neue Zweitürer beste Kritiken ein. So schrieb ein führendes deutsche Automagazin, dass „die BMW zu den fahrerisch erfreulichsten Autos gehören, die es gibt.“ Man schwärmte von „Sitzposition, Leichtgängigkeit und Direktheit der Lenkung, guter Sicht, neutralem Kurvenverhalten, guter Bodenhaftung der Räder, leichtem Ansprechen des Motors auf Gaspedalbewegungen“ und erklärte den 1600-2 als „handlicher, kompakter, mehr auf den Fahrer zugeschnitten als die viertürige Limousine.“ Ein Kollege des Testers brachte es auf den Punkt: „Der BMW 1600-2 ist genau das Auto, auf das viele sportlich interessierte Fahrer schon lange warten.“ Vor allem in der klassischen BMW-Domäne Motorentechnik zeigte der 1600-2 über Jahrzehnte hinweg ein ungeahntes Potenzial.
Schon zur IAA 1967 wurde der junge Erfolg auf eine breitere Basis gestellt: Zum 1600-2 gesellte sich der 1600 ti mit Doppelvergaser, höherer Verdichtung und 105 PS. Auf das Anhängsel '-2' wurde ab sofort verzichtet, dafür zierten die Buchstaben 'ti' das Heck, was für 'Turismo Internazionale' stand. Neu war auch das 1600-2 Cabriolet, das für lange Zeit der letzte vollkommen offene BMW sein sollte. Der Erfolg der zweitürigen Limousinen bescherte BMW in den Geschäftsjahren 1966/67 einen Umsatzzuwachs von 27 beziehungsweise 22 Prozent, obwohl die Wirtschaft weltweit in einer Rezessionsphase steckte, die der Branche durchschnittlich 19 Prozent Umsatzverlust brachte. Und es ging gerade so weiter. Während die Jugend des stürmischen Jahres 1968 rund um den Erdball revoltierte, sorgte unter den Autofans aller Altersklassen ein neuer 'kleiner' BMW für Furore: Der 2002, für viele Jahre das Symbol der Sportlimousine schlechthin. Schon Anfang 1967 hatte man versuchsweise zwei BMW-1600-Zweitürer mit der Zweiliter-Maschine der 'Neuen Klasse' ausgerüstet. 'Testfahrer' waren damals keine Geringeren als der Motorenentwickler und Rennfahrer Alexander von Falkenhausen und Planungsdirektor Helmut Werner Bönsch, die die beiden Versuchsmodelle mit großem Vergnügen im Alltag nutzten. Der BMW-Vorstand zeigte sich zunächst etwas zurückhaltend, doch schließlich vermochte Vertriebsvorstand Paul Hahnemann seine Mitstreiter in der Chefetage wieder einmal davon zu überzeugen, dass solch ein Wagen ein Erfolg werden musste - und er sollte Recht behalten.Nicht nur der deutsche und europäische Markt besaßen das Interesse und die Aufnahmefähigkeit für solch einen schnellen Kompaktwagen, vor allem das eben erst in Schwung gekommene USA-Geschäft ließ sich mit diesem Modell sicher noch viel stärker ausbauen.Kraftpaket für DEM 9.240,-. Als 'Kraftpaket' angekündigt, erfüllte der BMW 2002 die in ihn gesetzten hohen Erwartungen in jeder Hinsicht und auch der Preis des neuen Modells war eine echte Sensation. Da alle Komponenten bereits bewährt und vorhanden waren, konnte der 2002 für 9.240 Mark angeboten werden. Das war gerade mal ein Tausender mehr als für einen damals gängigen Mittelklassewagen mit 90 PS verlangt wurde. Doch während jener 16 Sekunden brauchte, um die 100 km/h-Marke zu erreichen, bekam der sportlich orientierte Kunde bei BMW jetzt einen Viersitzer mit großem Kofferraum, der diese Disziplin in nur 10,7 Sekunden erledigte. Es bedurfte schon eines echten Sportwagens, um einem BMW 2002 davon zu fahren. Aufgrund seiner überlegenen Leistung hatte er es zudem nicht nötig martialisch aufzutreten. Nicht einmal den Modellschriftzug zeigte BMW im Kühlergrill, sondern nur am Heck. Der Begriff 'Understatement' gewann durch dieses Modell im deutschen Automobilbau eine neue Dimension.
Die oft in den typischen Farben der 1970er-Jahre (wie 'Golf'-Gelb oder 'Inka'-Orange) lackierten 2002 verbanden auf einzigartige Weise die typischen BMW-Tugenden Dynamik und Praktikabilität, sie waren 'Familienkutsche' und 'Sportskanone' zugleich. Schon im ersten Produktionsjahr verkaufte BMW fast 29.000 Wagen des Typs 2002. Bis 1972 sollte sich diese Zahl kontinuierlich auf annähernd 60.000 Einheiten pro Jahr steigern. Rund 20 Prozent der Wagen gingen dabei in die USA, ein bis dato unerreichter Erfolg. Satte 330.212 Stück rollten bis zum Produktionsende 1975 vom Band und stellten damit den Löwenanteil der Nullzwei-Reihe. Ihm folgte im Herbst 1968 der 2002 ti mit 120 PS und 185 km/h Spitze. Und das in einer Zeit, in der die durchschnittliche Leistung der in Deutschland zugelassenen Autos bei 51 PS lag. Von Anfang an setzte BMW den 2002 auch bei Rundstreckenrennen ein. Und der erste Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bereits beim zweiten Lauf zur Tourenwagen-Europameisterschaft setzte sich Dieter Quester gegen die Konkurrenz von Porsche und Alfa Romeo durch und stellte ganz nebenbei einen Rundenrekord auf. Es folgte eine fulminante Premieren-Saison, deren Krönung der EM-Titel war. Von Anfang an setzte auch eine Reihe privater Rennställe auf den schnellen Zweiliter. Zur Weihnachtszeit 1968 fällte Rennleiter Alex von Falkenhausen eine Entscheidung mit großer Tragweite: Angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz beschloss er: „Jetzt machen wir einen Turbo drauf.“ Der Einsatz der Abgasturbine katapultierte die Leistung des 2002 ti von den 205 PS des Saugmotors auf aufgeladene 280 PS. Doch es war ein Wagnis - nicht nur auf dem Prüfstand explodierten die Rennmotoren des Öfteren. Maßgeblich an dem Projekt beteiligt war der Vater des späteren Formel-1-Weltmeister-Motors Paul Rosche: „Wir haben uns eigentlich schon bei den ersten Prüfstandsläufen des Turbos Gedanken gemacht, ob das nicht was für die Formel 1 sein könnte. Schließlich schien das Leistungspotenzial unerschöpflich zu sein. Und wir haben fortan nicht nachgelassen, diesem Traum Leben einzuhauchen.“
DAS BLAUE NULLZWEI-BUCH von Thomas G. Mueller
176 Großformatseiten zur BMW-Baureihe 1502-2002 turbo-Limousinen, Baur-Cabriolets, Diana-Sonderserie, Elektro-Nullzwei für die Olympischen Spiele, 1600-GT-Coupé, Nullzwei-Karmann-Cabriolet, GS-Schneider, Martini, Schnitzer und natürlich der erste E6-Touring, einmalige Zeitdokumente, 25 Seiten über Alpina und die anderen Nullzwei-Tuner, Vorwort von Klaus Bandow, Aussagen von Zeitzeugen, deutsch, Großformat 35 x 25 cm, Karton glänzend kaschiert, fadengebunden, deutsch, handsigniert, limitierte Erstausgabe. EUR 100,-